Pressemitteilung vom 03.02.2018
Ärztetagsbeschlüsse gegen die Freisetzung von gering radioaktivem Material
aus dem Rückbau von Atomkraftwerken haben Bestand
Symposium der Landesärztekammer „Gesundheitliche Risiken gering radioaktiver
Strahlenbelastung beim Rückbau von Atomkraftwerken und in Folge medizinischer
Anwendungen“ am 03.02.2018 in Stuttgart
Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg und der Deutsche
Ärztetag haben in 2016 und 2017 Entschließungen verabschiedet, in denen sie vor der
Verharmlosung möglicher Strahlenschäden durch die allgemeine Wiederverwertung gering
radioaktiven Restmülls aus dem Rückbau von Atomkraftwerken oder deren Einbau in
konventionelle Bauschuttdeponien warnen. In den Entschließungen wurden die zuständigen
Behörden aufgefordert, den beim Rückbau anfallenden gering radioaktiven Restmüll stattdessen
auf den Kernkraftwerksgeländen zu verwahren. Zur tiefergehenden Befassung mit der Thematik
fand am 03. Februar 2018 in Stuttgart ein Symposium der Landesärztekammer statt, das sich mit
Rückbaukonzepten und den gesundheitlichen Risiken gering radioaktiver Strahlenbelastung
befasste. Bei der gut besuchten Veranstaltung wurden das Freimessverfahren und die geltenden
Konzepte des Strahlenschutzes von Befürwortern und Kritikern des Verfahrens kontrovers
diskutiert.
Übereinstimmend konnte festgehalten werden, dass für die schädliche Wirkung ionisierender
Strahlung auf die Gesundheit auch im Bereich kleiner Dosen keine Schwellenwerte bestehen. Der
Hemminger Arzt und Abgeordnete des Deutschen Ärztetages Dr. Robin Maitra wies darauf hin,
dass die Strahlung von atomarem Restmüll zwar ein geringes, aber nichtsdestotrotz zusätzliches
Strahlenrisiko für die Bevölkerung bedeute. „Es ist nicht einzusehen“, so Maitra, „dass die
Beweislast für die mögliche Schädlichkeit der Freisetzung von atomarem Restmüll bei den Kritikern
liegt.“
Der Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges IPPNW, Dr. Alex Rosen, erläuterte alternative Konzepte zum Rückbau von AKWs, dieauf große Zustimmung stießen: „Die gutachterlich geprüften Alternativen bieten einen größeren
Schutz der Bevölkerung und des Personals vor Strahlung“, führte Rosen aus und forderte die
Behörden zu einer gewissenhaften Prüfung alternativer Lösungsansätze auf.
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann vom Institut für Community Medicine an der Universität Greifswald
wies darauf hin, dass gerade in den letzten 10 Jahren zahlreiche internationale Studien
veröffentlicht wurden, die das Krebsrisiko auch bei geringen Strahlenbelastungen belegen:
„Deshalb ist eine Neubewertung des Strahlenrisikos erforderlich, wobei als ärztliche Aufgabe nicht
nur das statistische Durchschnittsrisiko, sondern auch das Schicksal besonders empfindlicher
Gruppen in der Bevölkerung zu berücksichtigen ist." Ein Beschluss des Vorstandes der
Bundesärztekammer, wonach das gesundheitliche Risiko der Deponierung freigemessenen
Restmülls als „vernachlässigbar“ beurteilt wurde, wurde von vielen Teilnehmern kritisch
hinterfragt. Prof. Hoffmann widersprach der Kritik der Fachverbände der Radiologen und
Nuklearmediziner und der Bundesärztekammer, nach der die Ärztetagsbeschlüsse
wissenschaftlicher Grundlagen entbehrten. Tatsächlich gäbe es gute Gründe dafür, so Hoffmann,
jede zusätzliche Strahlenbelastung der Bevölkerung zu vermeiden. Während Dr. Rosen auf die den
Anträgen zugrunde liegende wissenschaftliche Evidenz verwies, betonte Dr. Maitra, dass die
Gültigkeit der Beschlüsse der Landesärztekammer Baden-Württemberg und des Deutschen
Ärztetages weiterhin gegeben sei.
Einigkeit herrschte bei Referenten und Teilnehmern darüber, dass das Minimierungsgebot des
Strahlenschutzes auch in der Medizin kritisch angewendet werden muss. Im Ergebnis des
Symposiums konnte festgestellt werden, dass die allgemeine Wiederverwendung und die
Deponierung gering radioaktiven Restmülls aus dem Rückbau von Atomkraftwerken ein geringes,
aber zusätzliches gesundheitliches Risiko beinhaltet. Unterschiedlich wurde die Bedeutung dieses
Risikos im Vergleich zu Aufwand und Kosten für dessen Minimierung beurteilt.
Stuttgart, 03.02.2018 |
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