Brokdorf soll früher vom Netz    DLZ vom 07.06.2018
Im Bundesrat will die Kieler Koalition eine Übertragung zusätzlicher Stromproduktionsmengen verhindern Von Henning Baethge Brokdorf - Morgen befasst sich der Bundesrat mit der geplanten Entschädigung für den schwedischen Atomkonzern Vattenfall wegen der vorzeitigen Stilllegung seiner zwei schleswig-holsteini-schen Kernkraftwerke Krüm-mel und Brunsbüttel. Doch tatsächlich geht es dann auch um die Zukunft des letzten noch laufenden Meilers im Land in Brokdorf. Die Kieler Jamaika-Regierung will die Beratungen nutzen, um den von der Eon-Tochter Preussenelektra betriebenen Reaktor früher vom Netz zu zwingen als zum bisher vorgesehenen Abschalttermin am 31. Dezember 2021. „Brokdorf ist nicht systemrelevant — es früher abzuschalten, wäre nur konsequent", sagt der Kieler Energieminister und Grünen-Bundeschef Robert Habeck. Die Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke ergibt sich aus zwei Größen: Zum einen hat schon die rot-grüne Bundesregierung beim ersten Atomausstieg im Jahr 2001 jedem Meiler eine Rest-Produktionsmenge an Strom zugesichert. Zum anderen hat die schwarz-gelbe Koalition nach dem Atomunglück in Fukushima 2011 zusätzlich ein endgültiges Abschaltdatum für jeden Reaktor festgelegt und acht sofort stillgelegt, darunter Krümmel und Brunsbüttel. Dadurch konnte Betreiber Vattenfall in Krümmel gleich 88 Tera-wattstunden zugesagten Reststrom nicht mehr erzeugen und in Brunsbüttel 11. Für die entgangenen Gewinne muss der Bund den Konzern entschädigen — allerdings nur insoweit Vattenfall seine Reststromkontingente nicht an andere Kernkraftwerke verkaufen kann. Und hier kommt Brokdorf ins Spiel. Dort ist es nämlich umgekehrt: Während Krümmel und Brunsbüttel zu große Stromkontingente für ihre Restlaufzeit hatten, hat Brokdorf ein zu kleines Kontingent für die Laufzeit bis Ende 2021. Würde das Werk wie bisher weiter rund zehn Terawattstunden jährlich produzieren, wäre schon Mitte 2020 Schluss. Mit einem Kauf von Reststrommengen von Vattenfall könnte Preussenelektra das allerdings verhindern. Doch genau das will Minister Habeck nicht. Denn im Norden kann schon jetzt allein aus Wind und Sonne oft mehr Strom erzeugt als abtransportiert werden. Da auch der überschüssige Ökostrom bezahlt werden muss, verlieren die Verbraucher viel Geld. „Eine Übertragung von Reststrommengen auf Brokdorf würde dazu führen, dass erneuerbarer Strom noch länger abgeregelt werden müsste", warnt Habeck. Daher hat sein Land im Umwelt- und im Rechtsausschuss des Bundesrats eine Formulierung durchgesetzt, die vom Bund verlangt, dass Strommengen-Übertragungen „die energiepolitischen Anforderungen in Deutschland bestmöglich unterstützen" sollen. Notfalls müsse auch eine Regelung her, die im norddeutschen Netzengpassgebiet „eine Übertragung von Reststrommengen untersagt". Ob diese Forderungen der Ausschüsse auch im Plenum eine Mehrheit finden, war gestern allerdings noch offen. Schwer dürfte es für die Länder auf jeden Fall werden, den Bund zu überzeugen - denn dessen Entschädigung für Vattenfall würde steigen, wenn die Schweden weniger Reststrommengen verkaufen können. Brokdorf-Betreiber Preussenelektra bekräftigt derweil, er wolle den Meiler auf jeden Fall bis Ende 2021 laufen lassen.