Freimess-Methode in der Kritik    DLZ vom 03.11.2017
AKW-Betreiber Vattenfall informiert über die Abfallentsorgung beim Rückbau Von Michaela Reh Brunsbüttel - Im Atomkraftwerk Brunsbüttel wird der Abriss vorbereitet. Eine große Herausforderung, die auf die zurzeit 220 Vattenfall-Mitarbeiter wartet. Der Meiler hat immerhin eine geschätzte Masse von rund 300 000 Tonnen. Ein Großteil des Abfalls gilt als unbelastet. Etwa 97 Prozent sind Bauschutt, hauptsächlich Gebäudeteile, Fundamente, Rohrleitungen. AKW-Chef Markus Willicks rechnet mit der ersten Abrissgenehmigung Mitte des kommenden Jahres. Der radioaktive Abfall macht laut Vattenfall drei Prozent des Gesamtvolumens aus, also etwa 9000 Tonnen, die zunächst verpackt, zwischengelagert und anschließend in ein Endlager transportiert werden sollen. Der meiste Müll, der beim Rückbau anfällt, soll jedoch recycelt oder für gewöhn liehe Deponien freigegeben wer den. Weil aber keine Materialien, die nach der Strahlen Schutzverordnung radioaktiv sind, wiederverwertet werden dürfen, muss der Abfall zunächst mühselig zerlegt, dekontaminiert und anschließend auf seine Strahlung hin überprüft werden. Um Materialien zu dekontaminieren, wendet Vattenfall unterschiedliche Verfahren an. Zum Beispiel können Oberflächen abgeschrubbt oder sogar abgefräst werden, mit Zitronensäure abgespült oder sogar mit einem Hochdruckreiniger beziehungsweise Strahlgebläse gereinigt werden. „Wenn wir zum Beispiel kontaminierte Farbe von einer Wand abfräsen müssen, so sind die abgefrästen Farbpartikel schwach- bis mittelradioaktiver Abfall, der in das Zwischenlager Lasma kommt, das wir für diese Art des Abfalls in Kürze bauen", sagt Vattenfall-Sprecher Olaf Hiel. Die etwa 97 Prozent des Abfalls, die wiederverwertet oder dem Abfallkreisläuf zugeführt werden sollen, müssen konsequent die sogenannte Freimess-Anlage passieren. Die Maschine erinnert an einen riesigen Pfandautomaten. Jede Kiste, die auf einem Rollband hineingeschoben wird, kann bis zu 800 Kilo fassen. Alles Material, das das Kraftwerksgelände in den nächsten Jahren als strahlungsfrei Verlassen soll, wird hier durchgeschleust. Diese von Umweltschützern kritisierte Freimess-Methode stand im Fokus der Vattenfall-Infoveranstaltung zum geplanten Rückbau des Meilers, der seit 2007 vom Netz ist. Dr. Karsten Hinrichsen von „Brokdorf-akut" forderte, dass der „freigemessene" Müll weder wiederverwertet werden dürfe noch auf die Hausmülldeponie gehöre: „Am besten wäre es, wenn das nur noch gering belastete radioaktive Material im Maschinenhaus auf dem Kernkraftwerksgelände bleibt. Anderenfalls findet es sich in den Zahnspangen unserer Kinder wieder." Seiner Meinung nach würde Vattenfall diesen Weg der Entsorgung nur deshalb wählen, weil er billiger sei. Freimess-Gegner Norbert Pralow wies in der Diskussion darauf hin, dass sich der 120. Deutsche Ärztetag ebenfalls mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen habe, den Abfall auf dem Gelände des Meilers aufzubewahren, um jede zusätzliche Strahlenbelastung zu vermeiden. Dr. Ingo Neuhaus von Vattenfall widersprach den Umweltschützern: Von den freigemessenen Abfallstoffen gehe keine Gefahrdung aus, weil die radioaktive Belastung verschwindend gering sei. Platzmäßig könnten der Bauschutt und der übrige Müll außerdem nicht auf dem Kraftwerksgelände untergebracht werden. Und im Gegensatz zu Frankreich seien in Deutschland keine Lager für den nur gering belasteten Müll vorgesehen. „Diese Entsorgung wäre aus finanzieller Sicht für Vattenfall vielleicht sogar die bessere Lösung, denn das Freimessen ist eine kostspielige Methode."